Brodski ou Le Procès d’un poète
Présentation et commentaire
d’ Efim Etkind
Préface d'Hélène Carrère d’Encausse
Le Livre de Poche, Paris 1988
Widmung
Für die liebe Raja,
eine der Autorinnen
dieses Buches,
zur Erinnerung an Frieda -
ihre Heldin.*
Je. Etkind
23. August 1988
Paris
* Frieda Wigdorowa (1915-1965), Journalistin,
Autorin, Pädagogin, Freundin der Kopelews;
ihre Reportage über den Brodskij-Prozess
(1964), in den Westen herausgeschmuggelt und
publik gemacht, half, ihn vorzeitig aus der
Verbannung zu befreien.
Lew Kopelew und Raissa Orlowa über Frieda Wigdorowa
Im November 1963 erschien in der Zeitung „Wetschernij Leningrad“ (Leningrad am Abend) ein Hetzartikel „Ein Schmarotzer als Literat“; darin wurde Brodskij ( … ) als „Parasit“ beschimpft, als Verfasser von antisowjetischen Versen denunziert, ( … ). Einige Leningrader Schriftsteller, die Brodskij kannten, verlangten, die boshaften Verleumdungen zu widerlegen, aber der Leiter der Leningrader Abteilung des Schriftstellerverbands verhinderte das und bekräftigte den Vorschlag des KGB, Brodskij als „Schmarotzer“ dem Gericht zu überantworten.
Die Schriftstellerin und Journalistin Frieda Wigdorowa beschloß, der Gerichtsverhandlung beizuwohnen, erhielt dafür jedoch zum ersten Mal keinen Auftrag von einer Zeitung, wie es ihr sonst immer gelang. Im Gegenteil, man warnte sie in der „Literaturnaja gaseta“, sie solle sich in den Brodskij-Prozess nicht einmischen. Trotzdem fuhr sie nach Leningrad und schrieb alles mit.
( … ) Frieda Wigdorowas Schilderungen und ihre Aufzeichnungen machten auf alle, die sie zu lesen bekamen, großen Eindruck. ( … )
Die Verfolgung und Verurteilung Brodskijs alarmierte uns. Sollte das ein Vorzeichen sein? Sollten sich die Willkür, die Hetze, die Schauprozesse wiederholen?!
Aber dieser Alarm rief nicht nur Angst hervor. Viele empfanden wie Frieda Wigdorowa, das Bedürfnis, sich einzumischen, etwas zu tun, nicht nur um den jungen Lyriker zu befreien, sondern auch um die Gerechtigkeit, die mißachteten Gesetze zu verteidigen.
( … )
Ende November 1964 stellte sich heraus, dass Frieda Wigdorowa unheilbar krank war, inoperabler Krebs. Aus dem Krankenhaus schrieb sie uns: „Ich brauchte eine ganz andere Medizin. Wenn sie den Jungen freiließen, wäre ich gleich gesund.“
( … ) Im Sommer 1965 lag Frieda Wigdorowa im Sterben. Sie bekam eine Chemotherapie, zeitweise trat eine Besserung ein; wir hofften auf ein Wunder.
Einige Tage vor ihrem Ende sprach der Vorsitzende des Komitees für Staatssicherheit (KGB) ( … ) auf einer ideologischen Konferenz davon, daß es Schriftsteller gebe, die „die Jugend verderben … Wigdorowa hat im ganzen Land und im Ausland die Aufzeichnungen des Brodskij-Prozesses verbreitet.“
Frieda starb am 7. August 1965. Am 10. August sprach Lidija Tschukowskaja an ihrem Sarg: „Eine große, gütige Kraft hat die Welt verlassen. ( … ) Ihr Name wird nicht nur in die Geschichte der Literatur eingehen, sondern auch in die Geschichte unseres gesellschaftlichen Lebens, unseres jungen Bürgerbewußtseins…“
Raissa Orlowa / Lew Kopelew: Wir lebten in Moskau. Albrecht Knaus Verlag, München und Hamburg 1987