Viktor Nekrassow

Viktor Nekrassow und Lew Kopelew Ende der 1960er

FSO 01-3


Viktor Platonowitsch Nekrassow (17. Juni 1911 in Kiew – 3. September 1987 in Paris), russischer Schriftsteller und Dissident. Von Beruf Architekturingenieur, nahm er im Zweiten Weltkrieg als Offizier an der Stalingrader Schlacht teil und veröffentlichte 1946 die für damalige Verhältnisse ziemlich kritische und offene dokumentarische Erzählung „In den Schützengräbern von Stalingrad“, die mit dem Stalin-Preis ausgezeichnet und in 36 Sprachen übersetzt wurde.


1966 gehörte Nekrassow zu den 25 Intellektuellen, die an den ZK-Sekretär Leonid Breschnew einen offenen Brief geschrieben haben, in dem vor einer Rehabilitation Stalins gewarnt wurde.


Wegen seiner liberalen Haltung dem Westen gegenüber wurde Nekrassow 1973 aus der Partei ausgeschlossen und 1974 unter Druck des KGB zur Emigration gezwungen. Mit seiner Familie ließ er sich in Paris nieder, arbeitete in der Redaktion der russischen Exil-Zeitschrift „Kontinent“ und in der russischsprachigen Redaktionsfiliale des Senders „Radio Liberty“ in Paris.


Raissa Orlowa über Viktor Nekrassow


Am 30. Januar 1983 notierte Raissa Orlowa in ihrem Tagebuch:


Vika Nekrassow war ein paar Tage hier. Er gab einige Interviews im Zusammenhang mit Stalingrad und wohnte die letzten Tage bei uns. Lange und schöne Unterhaltungen, Schwelgen in Erinnerungen. Vika las uns sein neues Werk vor. Unser Eindruck: das Bedeutendste, was er hier geschrieben hat. Und wieder ist es wie in Moskau, wir sitzen zu dritt zusammen, hören zu, diskutieren, erörtern – und das fehlt uns so schrecklich.


Raissa Orlowa / Lew Kopelew: Wir lebten in Köln. Hoffmann & Campe, Hamburg 1996


Viktor Nekrassow, Raissa Orlowa und lew Kopelew 1985 in Paris                                                 FSO 01-3


Viktor Nekrassow in einem Brief aus Paris im Januar 1987:


Als ich einmal bei [den Kopelews] in Köln wohnte und morgens los wollte, um Zigaretten zu kaufen, konnte ich die Haustür nur mit Mühe öffnen, weil ein Berg von Post vor der Türschwelle lag, nein kein Berg – ein Himalaja... Neben Haufen von Zeitungen und Zeitschriften noch Dutzende von Briefen von allen Enden der Welt. Nicht begeisterte wie bei Jewtuschenko ( ... ), sondern Briefe mit endlosen Bitten um Hilfe, Einmischung oder einfach um Ratschläge. ( ... ) Wir kennen uns fast dreißig Jahren. Lew erinnert sich sogar an unsere erste Begegnung im Jahre 1956, ( ... ). Das war in Moskau. Später gab es Begegnungen in Kiew, Dubulty, Peredelkino. Dann in Paris, Köln, Berlin. Nur in Honolulu und Hongkong haben wir uns noch nicht getroffen... ( ... ) Unser einziges Anliegen ist, dass wir uns treffen. Und zusammensitzen und plaudern. Ich muss bekennen, dass ich den stundenlangen abendlichen „Tratsch“ in einer Moskauer Küche keineswegs für Zeitverschwendung halte. Oder in der Kölner Küche bei einer Tasse Tee, oder in meinem Café Montparnasse bei einem Seidel Bier. ( ... ) Meine Ankunft bei Kopelews fiel mit Sacharows Befreiung aus der Verbannung nach Gorkij zusammen. ( ... ) Jetzt haben wir natürlich viel darüber gesprochen, was heute in der Sowjetunion vor sich geht. Vor allem über Gorbatschow. Kann man ihm glauben oder nicht? ( ... ) ...[Lew] sitzt stundenlang am Schreibtisch. Auch das ist schön mitanzusehen. Da sitzt er, die Bücher türmen sich um ihn, und all das hat er gelesen oder ist dabei, es zu lesen. Und ringsum Hunderte von Fotos – Freunde, Verwandte, lebende und verstorbene... ( ... ) Die Deutschen lieben ihn aufrichtig, das habe ich gesehen, und er sie, gegen die er einst kämpfte. Aber sein Herz ist immer drüben, in Moskau, in Gorkij, irgendwo an der Seite der Sacharows und der Freunde, die dort drüben leben... Und genau dadurch ist mir Kopelew so lieb und nah, der gute Mensch von Köln, von Moskau, und früher vom Gulag und von der Front...


Raissa Orlowa / Lew Kopelew: Wir lebten in Köln. Hoffmann & Campe, Hamburg 1996.  


Bücher von Viktor Nekrassow

Сталинград

Издательство Посев, Франкфурт на Майне 1981

Stalingrad

Verlag Possev, Frankfurt am Main 1981


По обе стороны Стены

Повести и рассказы

Effect-Publishing, New York 1984

Zu beiden Seiten der Mauer

Erzählungen

Effect-Publishing, New York 1984


Записки зеваки

Роман

Повести

Эссе

Слово / Slovo, Москва 1991

Notizen eines genüsslichen Betrachters

Roman

Erzählungen

Essays

Verlag Slovo (Das Wort), Moskau 1991

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