Der Name Lew Kopelew steht für Kultur, Humanität, Völkerverständigung und besonders für deutsch-russische Freundschaft. Sein Schicksal spiegelt das dramatische Geschehen des vergangenen Jahrhunderts in Europa wider.
1912 in Kiew geboren, wurde Lew Kopelew in jungen Jahren zum überzeugten Kommunisten. Unabhängig von seiner politischen Entwicklung bewahrte er eine große Liebe zu Deutschland, zur deutschen Kultur und zur deutschen Sprache, die er von klein auf neben seiner Muttersprache gelernt hatte.
Während des Zweiten Weltkriegs kämpfte er als Propagandaoffizier für die Befreiung der Sowjetunion von Nazi-Deutschland. Weil er sich beim Einmarsch der sowjetischen Truppen in Ostpreußen für eine menschenwürdige Behandlung der deutschen Bevölkerung einsetzte, wurde er trotz seiner Tapferkeit und seiner militärischen Verdienste zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. In dieser Zeit lernte er Alexander Solschenizyn kennen, der ihn in seinem berühmten Buch „Im ersten Kreis der Hölle“ zu einem seiner Helden (Lew Rubin) machte.
Nach seiner Freilassung (1954) und Rehabilitierung (1956) konnte Lew Kopelew als Literaturwissenschaftler und Germanist arbeiten und veröffentlichen; zunehmend setzte er sich für Andersdenkende ein - so für Solschenizyn und Andrej Sacharow- und protestierte entschieden gegen die Niederschlagung des „Prager Frühlings“. Dadurch geriet er mit der sowjetischen Obrigkeit in scharfen Konflikt.
In den sechziger Jahren begegnete er erstmals Heinrich Böll. Aus dieser Begegnung wurde eine außergewöhnlich tiefe und im positiven Sinne folgenreiche Freundschaft zweier Menschen, die sich im Krieg als Feinde gegenüber gestanden hatten.
Als Lew Kopelew mit seiner Frau Raissa Orlowa 1981 vom Breschnew-Regime ausgebürgert wurde, zog er nach Köln, in die Heimatstadt seines Freundes Böll. Hier fühlte er sich wohl, inspiriert und geborgen.
Der in der Ukraine geborene „jüdische Russe“ erhielt viele Ehrungen (u.a. den Ehrendoktor der Universität Köln, den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels). Er wurde zu einer hoch angesehenen Persönlichkeit, nicht nur in Deutschland, sondern ebenso in Österreich, in der Schweiz, den Niederlanden, den USA und schließlich auch in seiner Heimat Russland.
Mit den deutschen Schriftstellern in Ost und West hat Lew Kopelew über viele Jahrzehnte hinweg einen freundschaftlichen Dialog geführt. Er begleitete ihre Arbeit mit wachem Interesse. Mit Spannung wartete er auf jede Neuerscheinung.
In seinen eigenen Essays und Büchern hat er sich immer wieder eingemischt, wenn Menschenrechte verletzt wurden. Sein wissenschaftliches Hauptwerk war das „Wuppertaler Projekt“, das die wechselvolle Geschichte des Russlandbilds der Deutschen und des Deutschlandbilds der Russen seit ihren Anfängen (also seit etwa 1000 Jahren) beschreibt. Eine vergleichbare Betrachtung der gegenseitigen Fremdenbilder gibt es nicht.
Lew Kopelew war schon früh ein überzeugter Europäer. Wo er konnte, half er, Mauern abzubauen und Grenzen durchlässig zu machen: Nicht nur Russen und Deutsche, auch Polen und Tschechen, Balten und Ukrainern - jedem sollte die Begegnung mit Menschen anderer Nationalitäten möglich sein, jedem die kulturelle Vielfalt des Hauses Europa offen stehen.