Marion Gräfin Dönhoff

Lew Kopelew und Marion Gräfin Dönhoff bei der Eröffnung der Ausstellung „Deutsch-Russische Begegnungen im Zeitalter der Aufklärung“ am 28. Oktober 1996 in Wuppertal                                                        © klassen


Marion Gräfin Dönhoff (2. Dezember 1909 auf Schloss Friedrichstein in Ostpreußen – 11. März 2002 auf Schloss Crottorf bei Friesenhagen, Rheinland-Pfalz), politisch engagierte Publizistin, Mitherausgeberin und Chefredakteurin der Wochenzeitung DIE ZEIT.


Während der NS-Zeit gehörte sie zum deutschen Widerstandskreis und in der Nachkriegszeit setzte sie sich für eine Versöhnung zwischen den Staaten des Ostblocks und dem Westen ein und unterstützte die neue Ostpolitik von Willy Brandt.


Marion Gräfin Dönhoff war eine erfolgreiche Autorin von mehr als zwanzig Büchern und wurde u. a. 1971 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Als im Oktober 1981 Lew Kopelew mit dem gleichen Preis geehrt wurde, hielt sie die Laudatio. Bei der Gründung des Lew Kopelew Forums im Jahre 1998 wurde Marion Gräfin Dönhoff dessen Ehrenvorsitzende.


Lew Kopelew über Marion Gräfin Dönhoff:

Ich kenne sie bereits länger als ein Vierteljahrhundert. Den ersten Brief von Marion Gräfin Dönhoff erhielt ich im August 1967. Sie kam einige Male nach Moskau, allein oder mit ihrem Neffen, Hermann Graf Hatzfeldt.


Immer wieder bewundere ich ihre profunden Kenntnisse vor allem als Historikerin, Soziologin, Kunstwissenschaftlerin und auch ihre Unermüdlichkeit, ihre unversiegbare Energie und jugendliche Spontaneität. ( ... )


Ihr erster Brief an mich war eine Einladung von der ZEIT und von Radio Bremen, zu Diskussionen in die Redaktion ( ... ) nach Hamburg zu kommen. ( ... ) Als wir ihr zum 75. Geburtstag aus Köln einen Gruß schrieben, sagte Raja: „Eigentlich müßte man ihr dafür danken, daß du noch lebst; wenn Marion und Heinrich uns nicht hierher geholt hätten, wärst du ins Gefängnis, ins Lager gekommen, und dieses Mal wäre es dein Ende gewesen.“


( ... ) In jedem ihrer Bücher entdecke ich etwas Neues über die Autorin, über ihr Verhältnis zur Geschichte Deutschlands, zu philosophischen oder ästhetischen Problemen, über ihren Humor, ( ... ). Doch alle neuen, auch überraschenden Erfahrungen und Erkenntnisse bestätigen, bekräftigen meine Eindrücke aus den ersten Gesprächen in Moskau, aus den Briefen und dem ersten Buch von ihr, das ich gelesen hatte. Diese Eindrücke hielt ich damals im Tagebuch fest: „Sie ist anmutig und würdevoll, weise und bescheiden, eine Aristokratin erkennbar auf den ersten Blick und zugleich ungekünstelt schlicht, demokratisch.“ Im Nachwort zu meinem Erinnerungsbuch „Tröste meine Trauer“ nenne ich Menschen, denen ich Gutes zu verdanken habe, darunter auch Marion Gräfin Dönhoff: „Ihr klares, durchdringendes scharfes Denken ist die Waffe unverfälschter Toleranz (‚Meine Position ist zwischen sämtlichen Stühlen’). Edlen Traditionen der Vergangenheit treu, ist sie offen gegenüber der Gegenwart in lebendiger Verbindung von Konservativität und Liberalität.“


Lew Kopelew: „Sie weiß, worum es geht – Marion Gräfin Dönhoff“ in Laudationes, Steidl Verlag, Göttingen 1993


Marion Gräfin Dönhoff über Lew Kopelew:

Ich staune immer wieder über Lew, am meisten aber bewundere ich an ihm die Freiheit, die er besitzt. Vielleicht sollte man besser sagen: die Freiheit, die er sich nimmt, die er aus dem Nichts gezaubert hat: „Ich lebe in spite of“, schrieb er in einem seiner letzten Briefe aus Moskau, „das ist auch eine Art von Freiheit, denn sie gibt mir die Möglichkeit, nur das zu sagen und zu schreiben, was ich wirklich denke. Ich bin keiner Instanz verantwortlich, nur meinem eigenen Gewissen. ( ... )“


Als ich diesen Essay schrieb – 1976 – lebten Lew und seine Frau, ( ... ) Raissa Orlowa, noch in Moskau. Wir, seine Freunde im Westen, haben viele vergebliche Versuche unternommen, ihn zu einem Studienaufenthalt in die Bundesrepublik zu holen; ( ... ).


Lew Kopelew (...) kennt die deutsche Literatur besser als mancher eingesessene Literat. (...) Kopelew war immer der Meinung, daß es keine zwei deutschen Literaturen gibt, sondern nur eine Literatur plus zwei schlechte Lokal-Literaturen – im Westen beispielsweise die Landserhefte, im Osten die sozial-realistischen Tiraden: „Aber Heinrich Böll und Bert Brecht, Christa Wolf und Siegfried Lenz gehören zu einer deutschen Literatur“.


Für mich ist Lew Kopelew sowohl literarisch wie moralisch eine Autorität.


Marion Gräfin Dönhoff: „Gestalten unserer Zeit. Politische Portraits“, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1991


Bücher von Marion Gräfin Dönhoff

Kindheit in Ostpreußen

Siedler Verlag, Berlin 1988


Gestalten unserer Zeit

Politische Portraits

Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1991

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