Jelena Georgijewna Bonner (15.02.1923 in Merv /Turkestan – 18.06.2011 in Boston/ USA), Ärztin und Menschenrechtlerin. Nach dem Schulabschluss 1940 begann sie mit dem Philologie-Studium an der Leningrader pädagogischen Herze-Hochschule. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs ging sie als Krankenschwester an die Front.
Von 1947 bis 1953 absolvierte sie in Leningrad das Medizinstudium, siedelte nach Moskau um und war als Kinderärztin tätig. Seit 1971 war sie verheiratet mit Andrej Sacharow, mit dem sie gemeinsam in die Verbannung nach Gorkij ging.
Nach der Freilassung Sacharows und während der Perestroika blieb Jelena Bonner als tatkräftige Unterstützerin und Menschenrechtlerin an seiner Seite. Nach Sacharows Tod gründete sie 1989 in Russland und 1990 in den USA die Sacharow-Stiftung, deren Vorsitzende sie wurde.
Jelena Bonner war vierzehn Jahre alt, als ihre Eltern verhaftet wurden. Ihr Vater ( … ), einer der Begründer der Armenischen Kommunistischen Partei, ( … ) verschwand schon 1937. Die Mutter ( … ) stammte aus Sibirien, unter ihren Ahnen waren sibirische Bauern und Verbannte: Polen, Juden, Zigeuner. ( … ) 1937 arbeitete sie in einem Parteiarchiv. In der Nacht, als man sie abholte, sah einer der Geheimpolizeioffiziere aufmerksam zu, wie die Tochter Jelena ( … ) der Mutter beim Einpacken half und den kleinen Bruder tröstete. Beim Fortgehen flüsterte der Offizier Jelena zu: „Morgen holen wir dich und den Bruder. Ihr kommt in ein Kinderheim.“ Daraufhin packte sie sofort das Notwendigste und eilte mit dem zwölfjährigen Georgij aus dem Haus, zunächst zu Freunden, danach zur Großmutter nach Leningrad. ( … ) Jelena beendete die Schule 1941, als auf Leningrad Hitlers Bomben fielen. Jelena meldete sich zum Fronteinsatz. Sie kam als Krankenschwester in die vordersten Kampflinien, wurde mehrfach verwundet und hoch dekoriert. ( … ) nach dem Krieg studierte sie in Leningrad Medizin, wurde Kinderärztin, heiratete einen älteren Kollegen. ( … ) später wurde die Ehe aufgelöst. Jelena besuchte ihre Mutter in der Verbannung, wo sie nach der Lagerhaft lebte. Nach Stalins Tod wurde Ruth Bonner rehabilitiert, kam wieder nach Moskau. Jelena zog mit den beiden Kindern zu ihr. Sie arbeitete als Kinderärztin in einer Klinik. Als Chruschtschow zum Kampf gegen Stalins Personenkult und seine Folgen aufrief, trat Jelena Bonner in die Partei ein, um an der Überwindung des totalitären Systems Stalins und am Aufbau einer neuen menschlichen, gerechten sozialistischen Gesellschaft mitzuarbeiten. ( … ) Jelena war unermüdlich, trotz körperlicher Schwächen. Ihr Augenlicht ließ nach, die Folge einer schweren Kopfwunde aus dem Krieg. Doch als sie von neuen Fällen ungerechter Verfolgung hörte, als sie erfuhr, daß Menschen wegen kritischer Äußerungen und ideologischer Fehler verfolgt wurde, eilte sie sofort zu Hilfe.
Sie traf Andrej Sacharow vor den Türen eines Gerichts. Er war seit drei Jahren verwitwet und hatte seinen Kampf für Menschenrechte und Gerechtigkeit, gegen Lüge und Willkür der Staatsbehörden begonnen. Andrej und Jelena fanden sich in diesem Kampf. Ihre große Liebe war zugleich eine geistige Verbundenheit, Freundschaft und Kameradschaft.
Raissa Orlowa / Lew Kopelew: „Zeitgenossen. Meister. Freunde“, Verlag Albrecht Knaus, München und Hamburg 1989
Постскриптум
Книга о горьковской ссылке
Издательство СП «Интербук», Москва 1990
Postskriptum
Das Buch über die Verbannung nach Gorkij
Verlag SP „Interbook“, Moskau 1990
Дочки-матери
Издательская группа «Прогресс», «Литера», Москва 1994
Töchter – Mütter
Verlagsgruppe „Progress“, „Litera“, Moskau 1994